Kürzlich wurde in einer Wissenssendung über einen Online-Sprachkurs berichtet, der seine Teilnehmer im Rahmen von Übungen Sätze in alle möglichen Sprachen übersetzen lässt. Die Sätze stammen aus Inhalten, die tatsächlich im Internet veröffentlicht werden. Aus den Ergebnissen der Vielzahl an Übersetzungen, die so zusammenkommt, werden anhand statistischer Erhebungen die „richtigen“ Übersetzungen ermittelt.
Sowohl die Entwickler, als auch die Wissenssendung kamen zu dem Schluss, dass diese Methode für Gebrauchstexte, wie z. B. Bedienungsanleitungen, absolut ausreichend sei und ein enormes Sparpotenzial habe, da sie kostengünstiger als ein professioneller Übersetzer sei.
Also gut, lassen wir mal persönliche Befindlichkeiten beiseite, denn natürlich ist kein Übersetzer begeistert, wenn seine Fähigkeiten und der Wert seines Beitrags durch derartige Aussagen abgewertet werden. Aber – diese Sichtweise ist auch schlichtweg falsch.
Ganz ehrlich, würden Sie sich bei Zahnschmerzen beruhigt unter den Bohrer eines Medizinstudenten im zweiten Semester legen? Oder hätten Sie ein gutes Gefühl dabei, sich in einer Rechtsstreitigkeit von einem Hobby-Juristen vertreten zu lassen? Warum also glauben Sie, dass jemand, der eine Sprache gerade erst lernt, die gleichen Fähigkeiten hat, wie ein Übersetzer mit einem Hochschul- oder IHK-Abschluss und mehrjähriger Erfahrung? Der sich auf ein Gebiet spezialisiert hat, in dem er sich gut auskennt und regelmäßig auf eigene Kosten fachlich fortbildet?
Ich persönlich, mit eben jenem Hochschulabschluss und jener langjährigen Erfahrung, würde eine Bedienungsanleitung gar nicht übersetzen, weil ich auf dieses Gebiet nicht spezialisiert bin. Warum also ein Sprachanfänger?
Natürlich ist diese Methode im ersten Moment scheinbar kostengünstiger. Allerdings ist eine Bedienungsanleitung ein Bestandteil des Produktes. Enthält sie Fehler, beschädigt sie das Image des Produktes und damit das des Herstellers. Dieser Imageverlust übersteigt die Kosten einer professionellen Übersetzung bei Weitem.
Zudem gibt es von Land zu Land unterschiedliche gesetzliche Anforderungen an Bedienungsanleitungen und Produktbeschreibungen, die bei der Übersetzung ebenfalls berücksichtigt werden müssen, genau wie landesspezifische Besonderheiten. Man erinnere sich allein an das Fahrzeug „Lada Nova“, das in Spanien ein Ladenhüter war, weil das spanische „no va“ im Deutschen „funktioniert nicht“ bedeutet und niemand sich Gedanken über eine Anpassung dieses Namens an das Zielland gemacht hat.
Und schließlich: Auch einem professionellen Übersetzer kann ein Fehler unterlaufen, der im schlimmsten Fall einen Personen- oder Vermögensschaden zur Folge hat – schließlich sind wir alle nur Menschen und selbst der erfahrenste Experte kann so etwas für sich niemals ganz ausschließen. Das ist gerade bei einer Bedienungsanleitung nicht abwegig und es kommen schnell mehrere 100.000 € zusammen. Aber für diesen Fall hat der Profi eine Vermögensschadens- und/oder Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Greift der Produkthersteller jedoch auf die Übersetzung aus einem Online-Sprachkurs zurück, ist die Haftungsfrage nicht so eindeutig geklärt und im Zweifelsfall haftet er selber.
Mit anderen Worten, an der Übersetzung zu sparen, kann einen Produkthersteller durch evtl. Schadenersatzforderungen und einen möglichen Imageverlust auf lange Sicht teuer zu stehen kommen. Gute Gründe also, sich an einen Fachmann / eine Fachfrau zu wenden.
16. Februar 2015
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