Ich bin Übersetzerin und das ist gut so. Eine Zeit lang dachte ich, dass mir das Dolmetschen sicher liegen würde. Allerdings waren meine ersten Einsätze dann so nervenaufreibend, dass ich guten Gewissens an den Schreibtisch zurückgekehrt bin.
Nach dem Grundstudium habe ich mich für den Übersetzer-Studienzweig entschieden, weil ich dachte, dass es sicher lange dauern würde, bis man in einer größeren Gruppe von Studenten genügend Übung hat, um wirklich dolmetschen zu können. (Dazu muss man sagen, dass sich im Übersetzer- und Dolmetscherstudium seit 1993 einiges getan hat.)
Irgendwann bekam ich aber Lust, das Dolmetschen mal auszuprobieren, und nahm an diversen Weiterbildungen teil. Natürlich reicht das nicht, um Konferenzen zu dolmetschen oder in der Simultankabine zu sitzen, aber einfaches Gesprächsdolmetschen ist damit durchaus möglich.
Die Gelegenheit kam auch prompt. Ich sollte für eine Gruppe von Preisträgern Anweisungen zur Preisverleihung verdolmetschen. Was mir nicht klar war, als ich den Auftrag annahm, war, dass ich bei meinem allerersten Einsatz vor gut 100 Leuten auf einer Bühne stehen würde. Schieben wir den Schweiß auf der Stirn einfach mal auf das gleißende Scheinwerferlicht und die schlotternden Knie auf eine Unterzuckerung…
Bei meinem zweiten Einsatz sollte ich während der DIDACTA, der Bildungsmesse in Köln, für eine Krankenschwester dolmetschen, die eine Studie zum Thema Händewaschen in der Schule durchgeführt hatte. Das schien machbar, sowohl von den Umständen her, als auch thematisch. Ich sagte zu.
Der betreffende Tag fing damit an, dass ich mich wegen einer abgebrochenen Türklinke im Müllraum meines Bürogebäudes einsperrte und in meinen guten Klamotten auf eine der Mülltonnen klettern musste, um über eine Mauer nach draußen zu schauen. Zufällig kam gerade der Hausmeister vorbei… Ich bekam meinen Zug gerade noch rechtzeitig.
Als ich dann, innerlich ein Wrack, äußerlich ganz souveräner Sprachpartner, zum Einsatz kam, hieß es, das Gespräch werde für das Regionalfernsehen aufgezeichnet! Ich erstarrte – und war einfach zu unerfahren, um erstmal mit meinem Auftraggeber Rücksprache zu halten. Aber auch das ging vorbei, und wider Erwarten fand ich mich auch in keiner Pleiten, Pech und Pannen-Sendung wieder.
Außer, dass meine ganze Familie jetzt sehr viel mehr Wasser und Seife verbraucht, habe ich noch etwas mitgenommen: Ich bin Übersetzerin, und zwar mit Leib und Seele. Respekt an alle Dolmetscher, die zum einen fachlich gut sind und zum anderen die Nervenstärke für alle sonstigen widrigen Umstände ihres Einsatzes haben.
29. Oktober 2016
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